der bürgermeister – zentraler akteur der gemeinde

Obwohl der Gemeinderat laut Gemeindeordnung das Hauptorgan der Kommune ist, sieht die kommunale Wirklichkeit anders aus: Zentraler und eigentlicher Akteur ist die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister. Im Vergleich mit anderen Ländern haben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg eine enorme Machtposition, die sich so in keinem anderen Bundesland findet. Ebenso ist der Bürgermeister durch den Wahlmodus bis zu einem gewissen Grad vom Gemeinderat unabhängig. Die Amtszeit der Bürgermeister beträgt acht Jahre (§ 42 Abs. 3 GemO), die des Gemeinderats hingegen fünf Jahre (§ 30 Abs. 1 GemO). Hans-Georg Wehling, ein ausgewiesener Experte für Kommunalpolitik, spricht mit Blick auf den Bürgermeister daher von einem „Wahlkönig auf Zeit“. ( entnommen dem Handbuch Kommunalpolitik 2024 – lpb )

Bürgermeister – Die drei Säulen Seiner macht

1. Er ist Chef der Kommunalverwaltung, die auf ihn zugeschnitten und ihm rechtlich unterstellt ist (§ 44 GemO). Als Leiter der Verwaltung sind ihm alle Aufgaben übertragen, die er im Auftrag des Landes oder des Bundes durchführt (Weisungsaufgaben). Der Bürgermeister ist weisungsbefugt, d. h. er kann den Verwaltungsangestellten und Gemeindebeschäftigten dienstliche Aufträge erteilen und ihre Zuständigkeit abgrenzen. In der Vorbereitungsphase kommunaler Entscheidungen erarbeitet die Verwaltung eine Vorlage, die zur Entscheidung in den Gemeinderat eingebracht wird. Da es zumeist mehrere Wege gibt, eine Sachfrage zu lösen, wird durch die Auswahl verschiedener Vorlagen bereits eine Richtungsentscheidung getroffen. In dieser Phase ist der Bürgermeister ein wichtiger Vorentscheider. 2. Der Bürgermeister ist stimmberechtigter Vorsitzender des Gemeinderats und aller Ausschüsse, d. h. er kann mitberaten und mitentscheiden wie jedes andere Mitglied des Gemeinderats. Er legt die Tagesordnung fest, öffnet, leitet und schließt die Gemeinderatssitzungen (§ 43 GemO). Als Vorsitzender des Gemeinderats entscheidet er durch die Aufstellung der Tagesordnung, wann eine Verwaltungsvorlage zur Sprache kommt. Verfügt er über ein gewisses Verhandlungsgeschick, dürfte ihm die Suche nach Mehrheiten nicht schwerfallen. Er kann zudem gegen Beschlüsse des Gemeinderats, die er für rechtswidrig hält oder die seiner Auffassung zufolge für die Gemeinde nachteilig sind, Widerspruch einlegen (§ 43 Abs. 2 GemO). 3. Er repräsentiert die Gemeinde nach außen und gegenüber den Einwohnern im Innern. Nach außen ist er Rechtsvertreter und Handlungsbevollmächtigter der Kommune. Er nimmt die Außenkontakte wahr, wenn es z. B. um die Beschaffung von Zuschüssen oder Fördermitteln geht. Er ist sozusagen der „Außenminister“ der Gemeinde und gleichzeitiger „Geldbeschaffer“. Es ist eine seiner Aufgaben, für konkrete kommunale Vorhaben Geld vom Land, Bund oder von der Europäischen Union (EU) zu akquirieren.

wer kann bürgermeister werden ?

Für das Bürgermeisteramt sind keine besondere Aus- und Vorbildung der Kandierenden notwendig. Allerdings sind rund neunzig Prozent der amtierenden Bürgermeister in Baden-Württemberg Verwaltungsfachleute. Die Wähler bevorzugen in der Regel einen bestimmten Bürgermeistertyp. Zumeist machen jüngere, parteiunabhängige Verwaltungsfachleute von außerhalb der Gemeinde das Rennen.

Vor-und Nachteile der Kommunalstruktur

Die grundlegenden Strukturmerkmale der Verwaltung legen den Fokus auf Stabilität und Effizienz. Das zeichnet sich durch fünf Hauptmerkmale aus. Regelorientierung, d.h. Orientierung des Verwaltungshandelns an Recht und Gesetz, Funktionale Arbeitsteilung und Spezialisierung, Hierarchie, Schriftlichkeit bzw. Aktenmäßigkeit und Neutralität durch das Berufsbeamtentum. Daraus ergeben sich in der Praxis die nachstehenden Nachteile für Innovationen auf kommunaler Ebene.

Hierarchiedenken

Die Orientierung an der Hierarchie beschränkt eigenständiges Denken und die Entfaltung vor Ort. Entscheidungen werden an der Spitze getroffen. Die Verantwortungsbereitschaft vor Ort nimmt ab. Das klassische Argument lautet: „Der XY hat entschieden….“

funktionale Spezialisierung Viele organisatorische Teilzuständigkeiten verhindern den Blick über den Tellerrand. Besitzstandsdenken, das Denken in Zuständigkeiten und organisatorisches Misstrauen sind die Folge. Das klassische Argument lautet: „Dafür bin ich nicht zuständig…“

starke Formalisierung

Die Orientierung an formalen Regeln gewährleistet eine hohe Standardisierung der Aufgabenabwicklung, kann aber im Einzelfall notwendige Anpassungen und kreatives Lernen durch Abweichen von der Regel verhindern. Das klassische Argument lautet: „Das ist rechtlich nicht möglich….“

Kommunikations-, Diskurs- und Fehlerkultur

Greifen die genannten Logiken, ist die Kommunikation eher hierarchisch, reglementiert und spezialisiert. Der interdisziplinäre, offene und freie Austausch kommt zu kurz. Das Verhindern von Fehlern ist primär, das Finden kreativer neuer Ansätze sekundär. „Schwarze-Peter-Spiele“ sind die Folge. Das klassische Argument lautet: „Abteilung X ist schuld…“

Kultur

Misstrauen, Gegnerschaft, Tabus, Intransparenz, Kontrolle-und Sicherheitsorientierung sind Kennzeichen der Verwaltungskultur

Mit Bürgerbeteiligung die Innovationskraft erhöhen